Personalkultur

Top-Bankerinnen gesucht! Weibliche Vorstände sind die Ausnahme

Frankfurt/Main | 01.06.2021 | Reuters

Wenige Tage vor ihrer Beförderung in die Geschäftsführung der süddeutschen Oberbank-Tochter hat Silke Mirfanger-Wagner erfahren, dass sie mit dem dritten Kind schwanger ist. „Mein Chef ist aus allen Wolken gefallen“, sagt die 50-Jährige. „Heute lachen wir darüber.“ Denn den Job hat sie damals trotzdem bekommen und ihrem Chef gezeigt, dass es funktioniert. Doch Top-Managerinnen, noch dazu mit Kindern, sind die Ausnahme – bei allen Banken. „In kaum einer anderen Branche haben es Frauen schwerer als in der Finanz- und Bankenwelt“, sagt der Frankfurter Personalberater Heiner Thorborg. Eine gesetzliche Frauenquote soll den Wandel nun schneller voranbringen.
In den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland außerhalb des Finanzsektors liegt der Frauenanteil in Vorständen bei 11,5 Prozent, wie aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervorgeht. Bei Banken ist die Quote mit 10,5 Prozent noch niedriger. Sparkassen stehen besonders schlecht da – obwohl sie insgesamt mehr Frauen als Männer beschäftigen. Bei der Deutschen Bank und der Commerzbank sitzen mittlerweile jeweils zwei Frauen im Vorstand. Dagegen verlor die Finanzwelt mit HSBC-Deutschlandchefin Carola Gräfin von Schmettow eine ihrer bekanntesten Spitzenbankerinnen. Ihr Nachfolger: Ein Mann.

In den Managerebenen unterhalb des Vorstands sieht es etwas besser aus, die Quoten steigen aber mittlerweile kaum noch. Laut dem Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes (AGV) waren im vergangenen Jahr 34,8 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt – ein Zuwachs von einem halben Prozentpunkt im Vergleich zu 2019. Kritikern geht das selbst gesteckte Ziel der großen deutschen Geldhäuser, jeden dritten Job auf Managerebene mit Frauen zu besetzen, daher nicht weit genug. „Wir Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Das Ziel sollte die Parität sein, nicht nur 35 Prozent“, fordert Nicole Voigt, Partnerin bei der Unternehmensberatung BCG. Andere Länder in Europa stünden viel besser da als Deutschland. Laut DIW haben Länder wie Litauen und Norwegen fast doppelt so viele Frauen im Top-Management wie Deutschland.

„AUSGEFAHRENE ELLENBOGEN SIND ABSCHRECKEND“

Dass Frauen in den obersten Managerebenen unterrepräsentiert sind, hat nach Meinung von Personalberatern und Politikern mit der Mentalität in der Finanzbranche zu tun. „Kulturelle Themen wie beispielsweise ‚ausgefahrene Ellenbogen‘ sind für Frauen abschreckend“, sagt Matthias Fritton von der Personalberatung Spencer Stuart. Auch unflexible Arbeitszeiten und das klassisch vorherrschende Rollenbild von Mann und Frau sei ein Grund, erläutert FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger. „Eine Frau muss, wenn sie Karriere macht, mindestens zwei Leben stemmen: Den Beruf und die Familie.“

Oberbank-Managerin Mirfanger-Wagner hat jahrelang Verständnis ihrer männlichen Vorgesetzten für Familienthemen vermisst. „Das Problem sind nicht Frauen in Führungspositionen, sondern Frauen mit Kindern“, sagt sie. Auch Christine Novakovi?, seit 2019 Europachefin der Schweizer Bank UBS, hat sich gegen Widerstände nach oben gekämpft. Sie lässt inzwischen mit jeder Frau, die kündigt, ein Gespräch führen, um die Gründe für ihre Kündigung zu erfahren. „Es ist leider immer noch sehr oft so, dass Frauen Karriere und Familie nicht vereinen können“, sagt sie. „Wenn eine Frau ganz oben stehen will, muss ihre Familie mitmachen.“

Hinzu kommen noch teilweise eklatante Gehaltsunterschiede. Laut Statistischem Bundesamt verdienen Frauen für vergleichbare Tätigkeiten sechs Prozent weniger als Männer. Die weiblichen Führungskräfte der HypoVereinsbank bekamen 2020 sogar nur 76 Prozent des Gehalts ihrer männlichen Kollegen, wie aus einem Bericht der italienischen Mutter UniCredit hervorgeht. Bei den Töchtern in Ungarn oder Rumänien war der Unterschied weniger stark. UniCredit sei sich des Themas bewusst und habe die Gehaltslücke zum Teil angepasst, erklärt die Bank.

CHEFS MÜSSEN NICHT MEHR ZWINGEND IM BÜRO SEIN

Die Hoffnungen auf eine gesellschaftliche Änderung – auch durch selbstverpflichtende Quoten der Firmen – haben sich nicht erfüllt, weshalb die Bundesregierung nun eine Frauenquote per Gesetz vorschreibt. Künftig soll in jedem börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern und einem mindestens vierköpfigen Vorstand eine Frau dabei sein. „Die Realität zeigt, dass es nicht anders geht und daher befürworte ich diese Quote nun unbedingt“, sagt Fritton. „Wir werden in zwei, drei Jahren ein anderes Bild haben.“

Auch die veränderten Arbeitsbedingungen durch die Pandemie könnten die Situation für Frauen erleichtern, sagt Novakovi?. „Nach einem Jahr Homeoffice hat sich gezeigt, dass man ein Team auch von zu Hause führen kann. So etwas war früher nicht denkbar, da musste der Chef im Büro sein.“


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