Joachim Nagel

Versierter Notenbanker könnte Weidmann beerben

Frankfurt/Main | 03.12.2021 | Reuters

Von der Zentralbank der Notenbanken in Basel auf den Bundesbank-Chefsessel in Frankfurt: Für den promovierten Ökonomen und erfahrenen Währungshüter Joachim Nagel wäre der Weg von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) an die Spitze der deutschen Notenbank in Frankfurt eine Rückkehr zur alten Wirkungsstätte. Denn der 55-Jährige, der in der internationalen Welt der Geldpolitik bestens verdrahtet ist, hat den größten Teil seiner beruflichen Karriere bei der Bundesbank verbracht. Die „Financial Times“ berichtete unter Berufung auf eine mit dem Vorgang vertraute Person, er sei der bevorzugte Kandidat. Für ihn könnte auch sprechen, dass er Mitglied der SPD ist. Insidern zufolge ist allerdings eine Entscheidung noch nicht gefallen.
Der gebürtige Karlsruher durchlief insgesamt 17 Jahre lang bei der Bundesbank verschiedene Karrierestufen. Seine Wahl würde daher auch für eine gewisse Kontinuität an der Bundesbank-Spitze stehen. In einem Interview hatte er einmal angemerkt, er wolle keinen Tag bei der deutschen Notenbank missen. Nagel studierte Volkswirtschaftslehre in seiner Heimatstadt. Vor seiner Promotion 1997 in Karlsruhe war er 1994 für kurze Zeit Referent für Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik beim damaligen SPD-Parteivorstand in Bonn.

Nagels Laufbahn bei der Bundesbank begann 1999 als Leiter des Büros des Präsidenten der Landeszentralbank in Bremen, Niedersachen und Sachsen-Anhalt in Hannover. Dort erlebte er 2002 die Euro-Bargeldeinführung. Im Jahr darauf wechselte er in die Zentrale der deutschen Notenbank nach Frankfurt in den Zentralbereich Märkte, den er ab 2008 während der Finanzkrise leitete. In den Bundesbank-Vorstand zog er 2010 ein. Im Führungsgremium rückte er damals auf den nach dem Rücktritt von Thilo Sarrazin frei gewordenen Posten. Bis zu seinem Ausscheiden im April 2016 war Nagel für das wichtige Ressort Märkte zuständig und damit für die konkrete Umsetzung der Geldpolitik.

GELDPOLITIKER MIT GROßER EXPERTISE

Nagel hat sich bei der Bundesbank einen Ruf als fachlich versierter Währungshüter erworben, der kollegial und teamorientiert auftritt. Geldpolitisch gilt er als kompromissfähig – obgleich auch er sich in der Vergangenheit beispielsweise kritisch zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) geäußert hatte. In Interviews trat er meist vorsichtig überlegend und abwägend auf, wenn er die Bundesbank-Linie vertrat. Notenbank-Experten äußerten sich positiv über ihn. „Ihm ist zuzutrauen, dass er weiterhin die deutsche Bundesbanktradition in die Debatten im EZB-Rat tragen wird, ohne dabei ideologisch fixiert zu sein“, meint Friedrich Heinemann, Notenbank-Experte und Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. „Mit ihm dürfte die Deutsche Bundesbank ihrer Linie treu bleiben, den in Maastricht vereinbarten Ordnungsrahmen mit seiner Betonung von Preisstabilität und soliden Finanzen beizubehalten und weiterzuentwickeln.“

Teilweise heißt es in Kreisen der Ampel-Koalition, Nagel gelte als Favorit. Er stehe für geldpolitische Stabilität, nehme Inflationsgefahren ernst und bringe viel Erfahrung mit. FDP-Chef Christian Lindner, der designierte Bundesfinanzminister, hatte zuletzt deutlich gemacht, einen Kurswechsel bei der Bundesbank verhindern zu wollen. Mit Nagel könnte die FDP gut leben, sagt ein Insider. Die SPD hat zwar das Vorschlagsrecht, Grüne und FDP müssen aber zustimmen.

Die ebenfalls gehandelte EZB-Direktorin Isabel Schnabel gilt bei den Liberalen dagegen überhaupt nicht als erste Wahl. Sie steht bei ihnen für den expansiven Kurs der EZB, der immer wieder auf Kritik in Deutschland stößt. Im Ampel-Kreisen heißt es zudem, eine Entscheidung zur Top-Personalie bei der Bundesbank sei bislang noch nicht gefallen. Es wird erwartet, dass die Frage noch dieses Jahr geklärt wird, weil Noch-Bundesbankchef Jens Weidmann Ende 2021 abtritt.


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