Geldpolitik

Villeroy dämpft Zinsfantasien

Paris | 19.10.2021 | Reuters

Angesichts der rasant steigenden Verbraucherpreise im Euro-Raum treten Währungshüter der EZB verstärkt Spekulationen über höhere Zinsen im kommenden Jahr entgegen. Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau betonte am Dienstag, er sehe keinen Grund für die Europäische Zentralbank, 2022 die geldpolitischen Zügel zu straffen. Doch bleibe die EZB mit Blick auf die Inflation „sehr wachsam“. Bereits zu Wochenbeginn hatte sein italienischer Kollege Ignazio Visco erklärt, Erwartungen an den Märkten über eine Zinserhöhung Ende 2022 stünden nicht im Einklang mit dem geldpolitischen Ausblick der EZB – im Fachjargon Forward Guidance genannt.

Die EZB hat die rekordtiefen Zinsen in dem im Sommer aktualisierten Ausblick praktisch auf lange Zeit festgeschrieben und den Investoren damit eine Orientierungslinie gegeben. Dennoch war zuletzt am Geldmarkt darüber spekuliert worden, dass die Zentralbank Ende kommenden Jahres die Zinsen anheben könnte. Das EZB-Ratsmitglied Bostjan Vasle betonte, es sei auch früher immer wieder vorgekommen, dass Erwartungen schwankten und von vorübergehenden Geschehnissen getrieben wurden. Doch biete der Ausblick der EZB „genügend Sicherheit“ mit Blick auf künftige Zinsentscheidungen, sagte der slowenische Notenbankchef der Nachrichtenagentur Reuters.

EZB sieht sich nicht unter Handlungsdruck

Die EZB peilt als optimalen Wert für die Wirtschaft eine Inflatiosrate von zwei Prozent an. Die Teuerung im Euro-Raum lag im September mit 3,4 Prozent allerdings sehr weit darüber und so hoch wie seit 13 Jahren nicht mehr. Der derzeit starke Preisauftrieb setzt die EZB laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde jedoch nicht unter Handlungsdruck. Denn ein Großteil des derzeitigen Auftriebs ist nach Ansicht der Währungshüter nur vorübergehend und durch die Folgen der Coronakrise bedingt – so etwa Lieferkettenprobleme und Materialengpässe. Die EZB will laut ihrer Forward Guidance die Leitzinsen so lange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau halten, bis zu sehen ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und sich in diesem Bereich festsetzt. Das könnte auch eine Übergangszeit von Teuerungsraten moderat über zwei Prozent bedeuten.

Der finnische Notenbankpräsident Olli Rehn sieht „ziemlich überzeugende“ Belege für die Annahme, dass die Inflation nur vorübergehend erhöht bleibt. So liege beispielsweise der Lohnzuwachs trotz beträchtlichen Personalmangels in manchen Sektoren noch immer unter dem vor der Krise erreichten Durchschnittsniveau. Doch wenn sich die Inflation doch länger auf erhöhtem Niveau halten sollte, werde dies wahrscheinlich deutlichere Auswirkungen auf die Inflationserwartungen haben. Die Währungshüter gehen in ihrem Basis-Szenario davon aus, dass die Teuerungsrate nach dem Inflationsschub von 2021 in den kommenden Jahren wieder unter dem Zielwert landen wird.

Den Leitzins zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld liegt im Euro-Raum auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent – der Einlagesatz bei minus 0,5 Prozent. Die Geldhäuser müssen damit Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken.

Während die EZB offenbar in puncto Zinsen den Ball eher flach halten will, zeichnet sich jenseits des Ärmelkanals eine baldige Anhebung ab. Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, hat den Anlegern jüngst einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben: Es gelte zu handeln, wenn man mittelfristig das Risiko von Inflation sehe. Derzeit liegt der Leitzins in Großbritannien bei 0,1 Prozent. Anleger stellen sich auf zwei Leitzinserhöhungen bis Jahresende ein, der weitere Schritte nach oben im kommenden Jahr folgen sollen.


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